Der Klimastreik & die Entlarvung des Schein-Arguments zur Vereinbarkeit von Ökonomie & Ökologie (von den nicht ganz so Klima-Bewegten)
Veröffentlicht von Sebastian Maass in Nachhaltigkeit, Klimaneutralität · Samstag 04 Mär 2023
Tags: Klimastreik, Ökonomie, &, Ökologie
Tags: Klimastreik, Ökonomie, &, Ökologie
Wie häufig müssen wir das eigentlich noch machen: Der Klimastreik
Am 3. März war
wieder Klimastreik und viele ähnlich Gesinnte und Motivierte waren zum x-ten
Mal auf der Straße, um für ein beherztes Handeln in Sachen Klimaschutz zu
demonstrieren und zu streiken. Auf einem Plakat habe ich gelesen: „Wie
häufig müssen wir den Sch. … eigentlich noch machen?“ Mir ging es ähnlich. Seit
der Rio-Konferenz setzen wir uns (in meiner Generation) für das Thema
Nachhaltigkeit ein, welches heute unter der Überschrift Klimaneutralität
gefasst wird, also nur noch so viel Treibhausgase/ CO2 auszustoßen, wie die
Erde auch verkraften kann.
Wie häufig
müssen wir uns noch mit den immer gleichen, rückwärtsgewandten Schein- oder vorgeschobenen
Argumenten auseinandersetzen, die uns weiß machen wollen, dass unsere
Unternehmen reihenweise insolvent gehen würden oder unsere Mobilität völlig
eingeschränkt wäre, wenn wir eine CO2-Steuer halbwegs in der vom
Umweltbundesamt geforderten Höhe einführen oder jetzt v.a. in ÖPNV und Bahn und
nicht mehr in den Autobahnausbau investieren würden.
Eines dieser Schein-Argumente
ist die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie, die immer gegeben sein müsse. Hinter
diesem Argument steckt zum einem auch, dass man Unternehmen doch bitte schön in
Ruhe lassen solle und nicht mit höheren Strom- und Gaspreisen behelligen solle.
Dabei wissen wir seit Jahrzehnten, dass wir die Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise
gerade erhöhen müssen, um Energieeinsparung, regenerative Energien und eine andere,
nicht auf Individualverkehr setzende Mobilität zu fördern und damit auch
weniger CO2 auszustoßen. Jetzt schnell(t)en diese Preise in die Höhe und werden
mit gigantischem, finanziellen Aufwand des Bundes wieder gedeckelt. Und dabei
werden auch noch alle entlastet, anstatt nur die Menschen zu entlasten, die
darauf finanziell auch angewiesen sind. Denn diese finanziellen Mittel stehen
uns jetzt nicht für einen stärkeren Ausbau des Systems in Richtung nachhaltiger
Mobilität sowie Strom- und Wärmeversorgung zur Verfügung.
Zum anderen
steckt hinter dem vorgeschobenem Argument von der Vereinbarkeit von Ökonomie
und Ökologie, der unzureichende Wille sich im Detail mit dem Umbau von
Gesellschaft und Wirtschaft hin zur Klimaneutralität auseinanderzusetzen und
aufzudecken, das an vielen Stellen sogar eine starke ökonomische Perspektive
gegeben ist. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass es heute Konsens
ist, dass der am stärksten qualmende Schornstein oder Auspuff nicht mehr ein
Indikator für eine prosperierende Wirtschaft, geschweige denn für eine
lebenswerte Welt ist. Auch müssen wir annehmen, dass staatliche
Rahmenbedingungen, eine rückwärtsgewandte Form des Wirtschaftens und Lebens
nicht mehr fördern, sondern eine vorwärtsgewandte, klimagerechte Form. Bei zwei
unserer, wichtigen Hauptthemen für die das Erreichen der Klimaneutralität - die
Strom- und der Wärmeversorgung - steckt nämlich eine starke ökonomische
Perspektive dahinter. Private Haushalte, Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie
Unternehmen haben mittlerweile einen hohen wirtschaftlichen Anreiz, z.B. hohe
Strompreise durch eine möglichst hohe Eigenversorgung durch Photovoltaik zu
kompensieren. Auch müssen wir eher damit rechnen, dass Strompreise weiter
steigen werden und müssen, weil sich Rahmenbedingungen ändern müssen,
damit wir unsere eigenen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Ein höherer
Autarkiegrad sowie eine ökonomische Perspektive ist auch bei der (Heiz-)Wärmeversorgung
gegeben. So können z.B. private Haushalte und Stadt- und Gemeindeverwaltungen teurer
werdende (Heiz-)Wärme massiv einsparen, indem sie die Wände, Kellerdecken und
Dächer (oder Dachgeschossdecken) dämmen. Sie schaffen so auch die
Voraussetzungen um überhaupt von fossilen auf nachhaltige Heizungssysteme, wie
Wärmepumpen umzusteigen. Um diese ökonomischen Perspektiven genauer zu
verstehen, wäre es unerlässlich eine Analyse der Anspruchsgruppen,
neudeutsch Stakeholder-Analyse, vorzunehmen. Dann würde man herausfinden, wie insbesondere
Eigentümer:innen von Häusern und Gebäuden genau angesprochen werden
müssen, um sie zum Handeln zu bewegen. Häufig geht es hierbei noch nicht mal um
die Bereitstellung von Fördermitteln, sondern vielleicht um Kampagnen und
Informationsbereitstellung, die Handlungs- und Investitionsmöglichkeiten aufzeigen
und die Vereinbarkeit der beiden Sichtweisen, der ökonomischen und der nachhaltigen
vermitteln. Gebäudeeigentümer:innen sind häufig in einer positiven,
finanziellen Situation und müssen eh darüber nachdenken, wie sie ihre Gelder
anlegen. Hier könnte man sie überzeugen in reale, regenerative Anlagen zu
investieren, bei denen sie auch nicht aufwändig, wie bei reinen finanziellen
Anlagen, recherchieren müssen, ob der Anlagezweck überhaupt moralisch
vertretbar bzw. sogar zielführend für eine klimagerechte Gesellschaft wäre. Auch
Mietern ist immer häufiger daran gelegen, weniger Geld für ihre Wärmeversorgung
aufzubringen oder ihren Strom durch Balkonkraftwerke (Photovoltaik) zum Teil
selbst zu erzeugen. Hier würde eine Stakeholder-Analyse vielleicht eine gewisse
Förderung nahelegen und auch ein klein wenig mehr sozialere Gerechtigkeit
schaffen.
Stadt- und
Gemeindeverwaltungen sind in Sachen Strom- und Wärmeversorgung eh von gesetzlicher
Seite verpflichtet zu handeln:
„Alle Gemeinden,
Städte und Landkreise müssen ihre Energieverbräuche jährlich in einer vom Land
bereitgestellten elektronischen Datenbank erfassen. Ziel ist, in der Folge den
kommunalen Energieverbrauch zu senken und insbesondere die Liegenschaften
energieeffizienter zu betreiben.“ (Klimaschutzgesetz BW vom Februar 2023).
Auch könnten
sie sogar Einkünfte erzielen, in dem sie den im Ort regenerativ erzeugten Strom
auch im Ort vermarkten, am besten mittels einer Energiegenossenschaft um einmal
mehr Bürgerbeteiligung zu gewähren.
Aber zurück
auf die Straße: Der Klimastreik war noch eine moderate Form des Protestes, der zusätzlich
die Möglichkeit bot sich mit Menschen zu solidarisieren, die im Bereich
nachhaltige Mobilität, sprich ÖPNV, arbeiten.
Da immer mehr
Menschen feststellen, dass normale Formen des Protestes den Klimaschutz nicht
schnell genug voranbringen - angesichts des immer schwieriger zu erreichenden 1,5-Grad-Zieles–
ergreifen sie radikalere Formen des Protests und kleben sich z.B. an Straßen
fest.
Aber anstatt
sich dadurch wachrütteln zu lassen, sind immer noch viel zu viele Menschen,
Politiker, Unternehmer nicht auf dem „linearen Pfad zur Klimaneutralität“,
sondern … ja, was eigentlich?.
Damit nicht immer
radikalere Formen des Protestes notwendig werden, bitte ich jede(n) Einzelne(n)
sich in seinem Wirkungsbereich für Klimaschutz einzusetzen und im Zweifelsfalle
sich auch dazu zu motivieren auf der Straße mit für eine klimagerechte und
lebenswertere Welt zu demonstrieren, sich für eine solche einzusetzen und sie
zu leben!
Und vielleicht
kann es beim nächsten Klimastreik eine stärkere Solidarität zwischen Klimabewegung
und Gewerkschaften geben, in dem sich nicht nur Klimaaktivist:innen mit den
im Sinne der Nachhaltigkeit wichtigen, sozialen Forderungen der Arbeiternehmer:innen
nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen solidarisieren. Sondern auch
die Gewerkschaften könnten den Klimastreik sinnvoll unterstützen, indem sie
nicht Busse und Bahnen in den Depots stehen lassen, sondern zumindest zu den Klimastreikorten
hin- und wieder zurückführen und den Streik und diese Sonderfahrten mit der
ganzen Macht ihrer schlagkräftigen Organisation auch bewerben, damit viel mehr
Menschen am Klimastreik teilnehmen. Solidarität kann hier durchaus bilateral
sein.